Philippinen: Die Indirektheit als Lösung aller Probleme?

von Gerhard Knauber:

Wenn man nun einerseits den Gesichtsverlust vermeiden will und ebenso das Harmonieprinzip einhalten möchte, tut sich ein neues Verhaltensmuster auf, ohne welches dies kaum gelingen kann: die „Indirektheit“! Diese bedeutet konkret: man redet mitunter stundenlang um den heißen Brei herum! Es gilt dabei zu vermeiden, dass man Probleme direkt anspricht oder gar jemanden kritisiert. Für westlich orientierte Betrachter winden sich die Beteiligten solange, dass man am liebsten aufstehen, auf den Tisch hauen und mal richtig „Tacheles“ sprechen möchte! Keiner kommt auf den Punkt. Man versteckt geradezu die Kritik in seinen Worten. Wenn man nicht so viel Zeit zur Klärung des Sachverhaltes hat, besteht die Möglichkeit einen Mittelsmann einzusetzen.

So erinnere ich mich als wir unsere Kinder auf die neue Schule vorbereiten mussten. Die Haupttutorin schaffte zeitlich nicht alles, sodass wir als zweite Tutorin deren Schwester akzeptierten. Der fehlte aber die Erfahrung und sie begann methodisch sehr ineffektiv! So hatten wir einige Verbesserungen vorzuschlagen. Aber nur deren sofortige Umsetzung hätte Sinn gemacht. Deshalb sprachen wir mit der Haupttutorin, ohne Beisein ihrer Schwester und erläuterten ihr gegenüber unsere Wünsche. Am nächsten Tag kam die Schwester und setzte die Dinge welche wir wünschten um, ohne dass sie ihr Gesicht dabei verloren hätte. Bei direkter Ansprache wäre das Verhältnis mehr als gestört gewesen.

Falls man keinen Mittelsmann einsetzen kann oder möchte, dann gibt es noch eine andere Methode der Indirektheit: man spricht über einen nicht Anwesenden oder eine fiktive Person! Diese wird dann anstelle des Anwesenden indirekt kritisiert und deren Verfehlungen aufgezeigt. So lassen sich dann manche Details ansprechen, ohne jemandem weh zu tun. Allerdings sind hier Grenzen gesetzt, da der Betroffene ja die fiktive Person auf sich übertragen muss. Bei gemäßigtem Vorgehen wird der so zu Kritisierende sein Gesicht nicht verlieren, da ihn persönlich niemand anspricht. Er wird dennoch aufmerksam zuhören und verstehen. Asiatische Antennen sind dafür sehr feinfühlig …

Sollte die zuvor genannte Möglichkeit auch nicht durchführbar sein, dann muss man seine persönliche Kritik sehr behutsam vortragen! D.h. es ist erforderlich seine Beschreibung auf sein eigenes Problem zu beschränken und den anwesenden Verursacher dabei selbst nicht zu kritisieren. Gar nicht so einfach! Beispiel dafür: man lässt sein Auto reparieren, aber die Reparatur ist schlecht durchgeführt. Statt – naheliegend – auf den Mechaniker loszugehen, wird man schneller ans Ziel kommen, indem man über das schlechte Bauteil spricht, welches einem jetzt wieder Probleme bereiten wird. Hingegen wird eine Kritik an der Reparatur viel eher eine Selbstverteidigung auslösen, da man sein Gesicht nicht verlieren will …

Kritik sogar öffentlich zu tätigen ist ebenso verpönt. Auch Kritik am eigenen Land wird kaum akzeptiert, da man diese sofort auf sich persönlich überträgt (als Folge des Gruppendenkens, an anderer Stelle dazu mehr). So hatte ich in einem Gespräch mit einem Rechtsanwalt die philippinische Diskriminierung der Ausländer angesprochen, da diese für die gleiche Leistung 10.000 Pesos bezahlen müssen gegenüber 2.000 Pesos, die Filipinos für exakt das selbe bezahlen. Dies ist eine gesetzlich festgelegte Gebühr, die auch so veröffentlicht wird. Obwohl mein Gegenüber ausreichend Umgang mit Ausländern hatte, hat er meine „Klage“ als persönliche Kritik empfunden und er hat einige Minuten später eine „Gegenattacke“ gefahren, indem er mir was vorwarf wo im Ausland diskriminiert würde. Auch ist es eine Tabuverletzung, vertrauliche Gespräche Dritten gegenüber zu zitieren. Die Folge daraus kann eine Distanzierung aller Parteien zu dem „Schwätzer“ sein!

Vorsicht ist auch vor vermeintlichem Lob geboten, da dieses manchmal Kritik enthalten kann und nicht als Lob sondern als Kritik gemeint ist! Beispiel: man spricht jemanden an, dass er „aber viel zu tun“ habe, meint jedoch seine Geschwindigkeit, da er so langsam arbeitet! Deshalb ist auch Vorsicht hinsichtlich unbedachten Lobes geboten, da dies falsch verstanden werden kann. Sinnlose Nettigkeiten werden nicht als „nett“ empfunden, sondern lösen bei der Gegenseite eine Suche nach einem persönlichen „Fehler“ aus.

Generell ist es so: Das ist eine Form von Diplomatie, die man lernen kann. Wer einen Asiaten „anpoltert“, braucht allerdings keine sinnvolle Antwort mehr zu erwarten! Auch ist es üblich, nicht gleich beim Anlass zur Kritik, diese sofort loswerden zu müssen. Ein paar Stunden oder Tage später, reicht meist auch noch. Wer aber als „Hackklotz“ geboren wurde und vielleicht noch stolz auf seine „Direktheit“ ist, sollte sein bisheriges Glück nicht über strapazieren! Der Gesichtsverlust ist das Schlimmste, was man einem Asiaten antun kann! Entsprechend können seine Reaktionen darauf ausfallen …

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Ja, und bloß nicht über den Kopf streicheln, da sitzt nämlich ihr Heiligenschein.
Ist mir letzt wieder in Gedankenlosigkeit bei einem Arbeiter passiert, der war voll entsetzt, habe mich dann entschuldigt.

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Oben wurde Lob, loben auf den Phils erwähnt, (suchen kann man auf Seite nicht.)
Meine Erfahrung dazu, komisch.
Laut meiner Frau gibt es hier generell kein Loben.
Während ihrer Berufsausbildung wegen ihren guten Leistungen in Dt gelobt zu werde, da mußte sie sich erst mal dran gewöhnen.
Denn das gibts auf den Phils generell und auch in der Familie nicht, meint sie, Lob so zwischendurch.
Es gibt zwar auch Auszeichnungen hier Cumlaudet oder Stipendien, aber das hat irgendwie einen anderen Stellenwert.
Nämlich nach dem ganzen Trallala, bist du trotzdem wieder wie die Anderen.
Die Standardantwort meiner Frau war in der Anfangszeit bei der Arbeit in Dt. Ich werde doch schließlich dafür bezahlt.
Oder wenn ich sie für irgendwas lobte, willst du mich verarschen?

Auch Gestern, als der ganze Clan zu Besuch hier war, habe ich vor allem den Jungs gezeigt, was wir so alles getrieben haben.
Vollkommenes Desintresse ist mir da wieder entgegengeschlagen.
Habe es auch nicht anders erwartet, kenne das ja schon.
Irgendwie muß man halt seine Gäste unterhalten.
Zum Spaß meinte ich bei der Werkbank, ihr könnt mir hier ja mal was helfen und schon waren alle weg.
Na ja, sind eh keine werdenden Handwerker dabei, werden alle Polizisten oder Sesselrutscher.

Ich habe aber das Gefühl, dass die fehlende ehrliche Lobkultur hier ein Problem ist.
Daher hängen in den meisten Läden nur desinteressierte Mitarbeiter rum, die keinerlei Ahnung haben.
Für was auch, das Geld kommt monatlich, mehr muß ich nicht wissen und mehr wird von mir nicht gefordert und was ich tue interessiert eh niemanden.

Du musst sagen was es gekostet hat! Dann wirst Du auch mal gelobt :smiley:

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Je teurer um so mehr Lob, eher freudiges Erstaunen…

Bei den Preisen wird eh gelogen wie gedruckt.
Je teurer um so höher das Ansehen des Auftraggebers, Hausbesitzers.
Ich weiß ja dass es so ist, jedenfalls eine Form der Protzerei, die ich mir nicht aneigne.
Ich finde so ein Verhalten einfach nur minderwertigkeitskomplex hirnkrank.

2009, als wir 3 Monate hier bei der Familie wohnten, meinte meine Frau, die sind hier alle nicht ganz dicht.
Kam sich vollkommen fremd vor.
Es ist halt ein Unterschied ob man paar Wochen Urlaub macht oder länger hier wohnt.
Meine Frau ist nämlich deutscher als ich.
Also hat die deutschen Werte vollkommen assimiliert.
Dass wir trotzdem gut mit der Familie auskommen, liegt an 3km Abstand und der Erkenntnis, dass man es so wie es ist akzeptieren muß, sonst kann man hier nicht leben.

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Wenn du etwas gekauft hast und den Preis dafür nennst, wird in den meisten Fällen der Filipino sagen, dass er es für dich preiswerter bekommen hätte.

Wenn du etwas verkaufst und den Preis dafür nennst, wird in den meisten Fällen der Filipino sagen, dass er dir mehr dafür gegeben hätte.

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Das kenne ich anders.
Wenn ich sage was unser Haus gekostet hat, nämlich 1,2 Millionen Peso ohne die Dirty Kitchen.
Oder fürs Grundstück 190 Peso/m2, Titel selbst geholt.
Das glauben sies nicht und sagen:
Waaaas so billig !!!

Also Begeisterungsstürme kenne ich hier nur, wenn etwas als exorbitant teuer ausgewiesen wird.

Ein Filipino-Freund hat mal seinen anderen Freunden gegenüber damit angegeben, was ich für mein Auto bezahlt habe :smiley: (er war nicht mehr 100% nüchtern - der ist sonst echt OK :smiley: )

Das ist mir aber auch hier passiert … ähnliche Version … Auto ohne Kredit bezahlt …

Verkäufer: das ist aber seltsam
Ich: warum ?
Verkäufer: hier fahren die Autos mit Kredit raus
Ich: da sehen Sie mal, nicht aufgeben, es wird schon werden

:rofl:

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