Manchmal sind die Wege kurvig, manch gerade. Hier meine Geschichte, wie es zur ersten Reise auf die Philippinen kam.
Die Geschichte.
Wir sind im Jahre 1982. In Europa ging das Gespenst der Stahlkrise um. Bei uns auch. Wie immer in diesen Zeiten, musste das Personal abgebaut werden, es gab Sozialpläne. Die Jugend, man dachte noch sozial in diesen unmodernen Zeiten, waren die ersten welche auf Abbaulisten figurierten. Man dachte wohl, es fällt denen einfacher, eine neue Herausforderung anderswo zu finden.
So erging es auch mir. Großzügig wurde ich abgefunden. Mit den Taschen voller Geld, noch gab es wenig Verführungen, sprich Elektronik zu kaufen, musste die Welt erobert werden. Nur wo war halt die Frage?
Hinter meinem Schreibtisch zu Hause befand sich eine große Weltkarte. Sie sollte eigentlich meinen Drang in die Welt symbolisieren. So richtig kam ich aber nicht in die Gänge, die Wahl war groß, der Mut war klein.
Ein Auswahlverfahren musste her. Über meine Schulter schmiss ich einen Dartspfeil welcher mitten im Pazifik neben den Philippinen landete. Sollte ich dorthin? Wie kommt man eigentlich auf diese Inseln? Nun gut, es blieb mir ja noch etwa 2 Monate bis zu der Entscheidung, es war erst März, im Mai sollte es losgehen.
Der Flug war ja eigentlich nicht das Problem, es gab genügend Flüge, auch wenn sie teuer waren. Unter 1.000 Euro *1 lief nichts. Aber wo sollte ich wohnen?
Eines Abends nach meinen Kursen (ich war auf dem zweiten Bildungsweg mit eiserner Disziplin unterwegs) berichtete eine Mitstreiterin, dass ihre Tochter mit der Unesco, Experiment in International Living, in den Staaten bei einer Gastfamilie weilte. Seit mehreren Wochen. Der Groschen war nun gefallen. Noch in der gleichen Woche reichte ich mein Gesuch für die Philippinen ein. Ich war der erste Mutige dort für die Inseln. Eine leichte Unruhe brach aus, denn so richtig wussten sie nicht wie sie diesen Wunsch hinbiegen sollten. Ystaphil (Youth Student Association of the Philippines) war die Anlaufstelle auf den Philippinen.
Nach 2 Wochen etwa kam das OK. Ich sollte in La Union, auf Einladung des Ministry of Agriculture, 3 Wochen dort verweilen. „Wo lag ?“ war meine erste Frage. In meinem Weltatlas gab es zwar die Philippinen, leider aber kein La Union. „Keine Bange, auch dieses Problem musste ja lösbar sein“ dachte ich, außerdem war das ja nicht mein Problem, sondern das von Ystaphil. Sie mussten mich ja am Airport abholen, und mich in diese Gegend bringen, zumindest nach Begleitschreiben.
Der große Tag war gekommen. Swissair (ja die gab es damals noch) brachte mich sicher nach Manila. Ein Schock. Schon im Airportgebäude herrschte eine Affenhitze, jeder brüllte nach jedem, oder irgendetwas, ein Irrenhaus. Sollten dies die Philippinen sein? Für jeden schien es Abholer zu geben, leider nicht für mich. Da stand ich nun mit meinen Koffern, samt Spiegelreflex und allem Pipapo, das nun irgendwo hin, auf eigene Faust, verfrachten werden musste. Improvisation war alles. Das ganze Gepäck musste in ein Taxi rein, nach Manila gehen. Ich dachte: „Hoffentlich weiß der Fahrer wo Manila ist ?“, denn ich hatte komplett die Übersicht verloren. Es ging ins damalige Silahis Hotel am Roxas Boulevard.
Am folgenden Tag, mit einer Manila Karte ausgestattet, ging es ins Innere Manilas, ich musste Ystaphil finden. Schwitzend, fluchend und entmutigt habe ich sie am Padre Faura gefunden. Im Büro meinte man lapidar, dass man mich vergessen hatte am Airport abzuholen. Ooje, das konnte ja noch heiter werden. Mit dem Lächeln, wie es eben nur Filipinas können, setzten wir meine Weiterreise auf den nächsten Tag fest, diesmal mit Begleitschutz. Eine Busreise über 250 km sollte doch noch zu schaffen sein. Ein Kinderspiel, dachte ich.
Am folgenden Tag wurde ich etwas Besseren belehrt. 7 Stunden Fahrt im Fahrtwind (offene Fenster), Aircon war damals die Ausnahme. Ein Blondschopf unter Schwarzhaarigen. Stopovers ohne Ende, „die Filipinos mussten wohl am verhungern sein?“ dachte ich. Daher also diese Reisezeit. *2
Nun gut, bis hierher hatte ich es geschafft, diese Blechkutsche würde mich auch nicht schaffen. In San Fernando - La Union angekommen, wurde ich meiner Gastfamilie vorgestellt. Ich hatte mein eigenes Zimmer. Die Dame des Hauses war sehr besorgt um mich, jede Minute war sorgfältig verplant !!! Radiointerview, Vorstellung mit Ansprache im Lions, bei den Rotariern, Reisfelder, Baranguay Besuche. Am folgenden Tag sollte ich in ihrem Büro im MA erscheinen.
Wie geplant kreuzte ich dort auf. Da stand sie, ein Engel mit pechschwarzem, langen Haar, dunkle Augen, ein Lächeln zum Schmelzen, kurz gesagt eine Fee *3. Noch heute habe ich diesen Moment vor mir, er sollte ja mein Leben komplett über den Haufen werfen. Mein Gedanken kreisten nur noch darum, wie ich dieses Märchenwesen gewinnen konnte. Ich musste wohl eine Weile sprachlos gewesen sein, hatte man mir später bestätigt. Den Grund kannte nur ich. Abends, nach dem ereignisreichen Tag, hatte ich meine Gastmutter nach der Fee erfragt. Diese musste sofort Lunte gerochen haben (nicht umsonst haben die Lolas auf den Phils das Heft in der Hand). Fortan ging die Fee nicht mehr von meiner Seite. Sie war als meinen persönlichen Begleitschutz, gegen ihren Willen, von ihrer Chefin abgestellt worden. Kluger Schachzug von der alten Dame. So lag nun alles in meiner Hand. Wie aber nun das Zauberwesen erobern? Nur unbekannte Faktoren für mich stellte sie dar, ein Buch mit sieben Siegeln. Mir fiel nichts Gescheites ein, bis sie mich zu einer Cola einlud. Noch heute lachen wir darüber, denn ich hasse dieses klebrige Zeug seit jeher. Damals nahm ich an, ich hatte ja auch keine andere Wahl.
Bei jeder Gelegenheit waren leider immer Anstandswauwaus präsent. Eine Einladung zum Discobesuch mutierte zum Gruppentreffen, Restaurantbesuche waren noch nicht so angesagt, es gab einfach nie eine Gelegenheit alleine zu sein.
Bei meiner Abreise wurde das Versprechen gemacht, dass wir uns des Öfteren schreiben würden, auch wenn Briefe wochenlang auf irrsinnigen Wegen unterwegs waren. So mancher ging verloren, kam nie an. Nervend, und es herrschte auch Ungewissheit. Telefonate waren teuer, sowie nicht jeder hatte zu dieser Zeit ein Haustelefon. Mobilgeräte gab es nicht.
Also wurde eine zweite, und dritte, Reise geplant. Bei der dritten Reise, so dachte ich es mir aus, wird einfach um die Hand der Fee angehalten. So lief es dann auch. Sie siedelte nach über, ohne großes Getöse, und gegen den Wunsch der Eltern. Verständlich, wer verliert schon gerne die älteste Tochter? Sie gab ihren Job auf.
Seit bald 40 Jahren sind wir nun verheiratet. Es folgten einige Reisen auf die Philippinen, aber keine wie die Erste.
Vielleicht berichtet ja noch jemand von seiner ersten Reise?
*1 das waren damals 1,5 Monatslöhne als Stahlarbeiter.
*2 Bis heute hat sich die Anfahrt nicht wesentlich geändert, außer dass es über die NLEX nordwärts schneller mit dem Mietauto geht.
*3 Pinays können eine magische Kraft auf Langnasen entfalten
zu den Bildern:
Bild 1: die Fee
Bild 2: mein Besuch im La Union Capitol, links die Gastmutter, rechts der damalige Gouverneur der Provinz La Union.
Bild 3: die Sippe des Baranguay Captain. Ich habe in dem Haus 2 Nächte geschlafen.
Bild 4: ich beim Baranguay Captain in den Balaoan Reisfeldern.