„Utang na loob“ ist ein philippinisches kulturelles Merkmal, welches auch heute noch viele Handlungen von Filipinos bestimmt und die meisten dieser Handlungen, bzw. den Hintergrund dieser Handlungen, können wir aus unserer Europäischen Kultur heraus betrachtet, nicht verstehen.
Es ist ungefähr mit unserem „einen Gefallen zu schulden“ zu vergleichen.
„loob“ bedeutet „das innere eigene Selbst“ und „utang“ die „Schuld“.
„Utang na loob“ ist also eine Art „Dankbarkeitsschuld“, geht aber in der philippinischen Kultur viel, viel tiefer und ist eigentlich nur im Kontext mit anderen Begriffen aus dem kulturellen Verständnis der Filipinos zu verstehen.
„Utang na loob“ ist allgegenwärtig, in der Familie als auch gegenüber der Gesellschaft und nimmt eine Spitzenposition im Wertesystem der Filipinos ein.
„Utang na loob“ ist im Philippinischen Verständnis aber keine einseitige Schuld, sondern vielmehr eine gegenseitige Verbindung zweier Gruppen.
Am ausgeprägtesten wohl bei den Konstellation Eltern / Kinder.
Mit der Geburt hat ein Filipino bereits eine lebenslange Schuld / Verpflichtung gegenüber seinen Erzeugern – und das betrifft vor allem wohl die Eltern, aber (wohl zweitrangig) auch die Gesellschaft.
Dem gegenüber haben die Eltern mit der Geburt eines Kindes, diesem gegenüber auch eine Schuld / Verpflichtung.
Als Beispiel: viel Filipinas arbeiten (ohne dies zu beklagen) im Ausland als OFW, um das Leben und die Ausbildung ihrer Kinder daheim zu finanzieren. Im philippinischen Wertekanon ist das selbstverständlich, da es ja gilt der Schuld gerecht zu werden.
Gleichzeitig wird aber auch durch diese Einstellung unausgesprochen die Schuld der Gegenseite (in diesem Fall der Kinder) manifestiert, die dann ihren Verpflichtungen nachzukommen haben, wenn die Eltern alt und auf Unterstützung angewiesen sind.
Es gibt aber auch verschiedene Dimensionen des „Utang na loob“
Im Kontext der moralischen und sozialen Kultur.
Es gibt ein philippinisches Sprichwort das besagt:
„Wenn du Reis pflanzt, wirst du auch Reis ernten“
Es ist eine Art Sprichwort zur Erinnerung, dass man Dankbar sein muss, eine Art von moralischer Verpflichtung gepaart mit der Haltung der Dankbarkeit.
Im Kontext der blinden Loyalität
Dies ist eigentlich eine Art von negativer Auswirkung von „Utang na loob“.
Am ehesten für uns verständlich mit dem Ausspruch „Blut ist dicker als Wasser“ im familiären Sinne, oder „er hat soviel getan für meine Familie“ gegenüber Landlords, Politikern, Kirche,…
Viele, vor allem ärmere, ungebildete Filipinos sind durch „Utang na loob“ für lange Zeit, oder auch Zeit ihres Lebens, an den oder die „Helfer“ gebunden, obwohl aus unserer Warte betrachtet sie „einfach nur ausgebeutet werden“.
Es gibt aber auch aufgeklärte Filipinos, die „Utang na loob“ als soziales Konzept verstehen, es auch anerkennen und leben, allerdings mit dem Unterschied (im Gegensatz zu den meisten Filipinos) „Utang na loob“ nicht in ihrem persönlichen Wertekanon über andere, für sie höher zu bewertende moralische Grundsätze, zu stellen.
Man kann aber als „Westler“ „Utang na loob“ nicht verstehen, ohne auch das in fast ganz Asien vorkommende, und anders als im Westen ausgeprägte und verstandene „Schamgefühl“ (in der philippinischen Kultur als „hiya“ bezeichnet) und dem tatsächlichen oder vermeintlichen „Gesichtsverlust“ – „pagkawala ng mukha“, zu betrachten.
Dies muss man auch unbedingt im Zusammenhang mit dem in der Kultur hoch bewerteten „Karma“, betrachten, welches u.a. auch beinhaltet, dass jede Handlung – gut wie aber auch böse – unausweichlich eine Folge haben wird, wenn nicht in diesem Leben, dann aber in dem, was nach dem jetzigen Leben ist. (je nach religiöser Ausrichtung im Himmel, oder aber im nächsten Leben)
In der westlichen Welt haben wir eine sogenannte „Schuldkultur“ – sozusagen die Sorge um die Sühnung unserer Schuld – beruhend auf die christlichen / katholischen Werte in unseren Gesellschaften.
In den Asiatischen Ländern herrscht dagegen die sogenannte „Schamkultur“, in der die öffentliche Wertschätzung und der erfahrene Respekt, das Ansehen (eigenes und das der Familie) und auch die Ehre als höchstes Gut betrachtet werden.
Da in der Philippinische Kultur die Zusammengehörigkeit „kapwa“ einen obersten Stellenwert innehat, ist jede Form von Scham auslösender Handlung zu vermeiden.
Dies alles mündet in eine Art von Gruppendruck auf den Einzelnen. Und dieser Gruppendruck kann sich dann auch schnell auf Ausländer, die in einer Partnerschaft mit Pinoys liiert sind, übertragen.
Wie man als Ausländer dann damit umzugehen hat, muss jeder für sich selbst ausmachen.
Gibt man dem Druck bedingungslos nach, werden immer größere „Forderungen“ kommen.
Widersetzt man sich ihnen vollkommen, ist die Gefahr, wiederkehrender Diskussionen mit dem eigenen philippinischen Partner oder auch das Scheitern der Beziehung größer.
Den „goldenen Zwischenweg“ zu finden, wobei man klare Grenzen definiert, hat sich bei vielen als bester Kompromiss herausgestellt.
Weitere Informationen zu „Utang na loob“ findet ihr u.a. hier: